Hintergrund und Entstehung

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Urheber: Greg Rakozy

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"Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir." (Immanuel Kant)

Hintergrund und Entstehung

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Making-of Kosmos XR
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© Digitale Lernwelten GmbH

Musik: “dicht & ergreifend - don’t believe the like”

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Ausgangslage

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Die "MS Wissenschaft" auf der Spree mitten Berlin: Ort von Ausstellungen, Tagungen und Workshops zu wissenschaftlichen Themen

Seit Jahren ist es eine gute Tradition in Deutschland, dass bestimmte Themen aus den Wissenschaften ein Jahr lang in der Öffentlichkeit besonders hervorgehoben und diskutiert werden. Dazu fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung Ausstellungen, Veranstaltungen, Filmprojekte und Diskussionsrunden. Im Jahr 2023 stand das Wissenschaftsjahr unter dem Motto "Unser Universum". 

In einer Kooperation haben der Grüne Salon e.V. und die Digitalen Lernwelten das Projekt "Kosmos" entwickelt, das am Ort der Spiegelarche in Roldisleben (Thüringen) der Öffentlichkeit gezeigt wurde.

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Drei Fragen an das Projekt "Kosmos"

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Dr. Julian Barnett (Der Grüne Salon e.V.), https://www.wissenschaftsjahr.de/2023/ueber-uns/foerderprojekte/kosmos#c2230 [10.9.2023].

Das Projektverantwortlichen des Wissenschaftsjahres haben dem Projekt Kosmos drei Fragen gestellt. Hier sind sie ... und natürlich die Antworten:

1. Welche Idee steckt hinter Ihrem Projekt?

Der Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist im ländlichen Raum eher spärlich vorhanden. Mit der Ausstellung KOSMOS werden insbesondere Kinder und Jugendliche im ländlichen Raum mit dem Mikro- und Makrokosmos in Berührung gebracht und ins Staunen versetzt. Der Blick in den Kosmos und der Blick vom Kosmos zurück auf die Erde lädt dazu ein, über die Zukunft der Menschheit zu reflektieren. So möchten wir dazu beitragen, dass sich Bewohnerinnen und Bewohner in ländlichen Regionen wieder aktiv als Teil der Gesellschaft fühlen und eigene Zukunftsvorstellungen entwickeln.

2. Welche Personen wollen Sie mit Ihrem Projekt erreichen?

Die Spiegelarche hat überregionale Strahlkraft und zieht ein breites Publikum an, auch weit über die Grenzen Thüringens hinaus. Unsere Hauptzielgruppe sind aber die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Raums, vor allem Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus richten wir uns an Lehrkräfte und deren Aus- und Weiterbildende als Multiplikatoren für eine gesamtgesellschaftliche Transformation.

3. Was macht die Faszination des Universums für Sie aus?


Von den Planck-Größen über winzige Mikroorganismen und riesige Galaxien bis zum gesamten Universum, alles ist Teil eines Ganzen – irgendwo mittendrin stehen wir. Ein Wechselspiel der Interaktionen und Umwandlung von schier unendlich vielen Teilen über mehrere Milliarden Jahre kosmischer Geschichte haben uns genau an diesen Punkt gebracht. Was wir daraus machen, liegt nun an uns. Das kann existentielle Krisen auslösen, es kann uns aber auch ermächtigen, unsere Zukunft aktiv mitzugestalten.

Konzept

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Die Macher diskutieren das Konzept am Ort der Spiegelarche in Roldisleben (Thüringen)

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Narrative Gegensätze auf den Achsen: Unterschiedliche Vergangenheiten und Zukünfte als Impulse für die Gegenwart

Wir leben im Heute, im Hier und Jetzt. Man nennt dieses Heute auch Gegenwart. Und von dieser Gegenwart aus betrachten wir die Vergangenheit und die Zukunft. Wie wir die Vergangenheit sehen und uns als Menschen selbst interpretieren und wir uns in der Zukunft sehen, das hängt sehr stark von uns, die wir in der Gegenwart leben, ab. Es hängt davon ab, worauf wir den Schwerpunkt legen oder welche Interpretationen wir gelernt haben.

Bis zu einem gewissen Grade sehen Menschen also das, was sie sehen wollen, oder was ihnen als Interpretation vorgegeben wird. Meist geht beides Hand in Hand. Diese vorgegebenen Interpretationen hängen von politischen oder religiösen Grundüberzeugungen ab. Das betrifft gerade auch den Blick auf die Entwicklung der Gattung Menschen an sich:

  • Wer sind wir? 
  • Wie sehen wir uns? 
  • Und was leiten wir daraus für die Gestaltung unseres Lebens und unser Wirken in der Welt ab?

Die Frage stellen wir uns gar nicht so oft; vielleicht, weil sie uns so fundamental und so schwerwiegend erscheint, dass wir denken, nur Philosophen oder Anthropologen könnten sie beantworten. Das stimmt gar nicht. Es ist doch ganz wichtig, dass wir alle uns darüber Gedanken machen. Wie wollen wir sonst sinnvolle Entscheidungen treffen über den Umgang mit der Natur, mit Klimaveränderungen oder über unsere Leben mit Maschinen in einer digitalen Welt?  Von den Antworten hängt also viel ab: 

  • Sind wir wirklich das höchstentwickelte Wesen des Planeten? 
  • Musste die ganze Entwicklung der Welt auf uns zulaufen? 
  • Sind wir wirklich "homo sapiens sapiens", also der "weise, kluge, vernünftige Mensch"?
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© Der Grüne Salon e.V.

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Zeit-, Raum- und Handlungsebenen des "Kosmos"-Projekts

Dazu erzählen wir vier Geschichten, die gewissermaßen eine Interpretationsklammer zwischen Vergangenheit und Zukunft aufmachen. Es sind jeweils zwei bewusst überzeichnete Sichten – also zwei Geschichten, die sich mit der Vergangenheit des Menschen befassen und zwei die sich auf seine Zukunft des beziehen. Und dabei wird jeweils eine utopische und ein dystopische Geschichte erzählt. Einmal ist die Vergangenheit also hoffnungsvoll und einmal ist sie unheilvoll. Ebenso wird die Zukunft erzählt.

Die Zeitdauern werden als weit zurückliegend und weit in Zukunft reichend angenommen. Das ergibt sich aus dem anthropologischen Ansatz. Wir wollen also nicht wissen, die die Menschen 19. Jahrhundert waren, sondern wie sie vor Urzeiten und dann in ihren großen Entwicklungsphasen waren. Genauso wolle wir nicht betrachten, wie Menschen in 50 Jahren leben werden, sondern wie ihre langfristige Perspektive auf diesem Planeten ist.

Ziel ist es, die Betrachterinnen und Betrachter dieser Geschichten in virtueller Realität dazu zu befähigen, eine eigene Sichtweise zu finden, um einen selbstbewussten und realitätsbezogenen Aufbruch in eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Mag sein, dass diese eigenen Sichtweisen irgendwo zwischen den 'Extremen' liegt. Betrachterinnen und Betrachter sollen die Bedeutung der Geschichten, die wir uns als Menschen über uns selbst erzählen, verstehen. Sie sind wichtig für uns und für die Gesellschaft . Und sie sollen angeregt werden, eigene Geschichten (Narrative) zu entwickeln bzw. an gesellschaftlichen Narrativen mitwirken können und wollen.

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Umsetzung

XR-Inszenierung in den Containern

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Im oberen Container findet die dystopische sowie utopische Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft statt. Die XR-Szenen sind künstlerisch-abstrakt gestaltete szenische Dialoge zwischen Menschen. 
Während der Ausstellung im Sommer 2023 nutzen wir als Rahmen dieser Szenen die beiden verglasten Enden des Containers, die nicht nur einen Blick in die Landschaft ermöglichten, sondern auch den Eindruck einer direkten Verbindung des Besuchers mit der Natur schaffen. 

Dahinter steht mehr: Die Landschaft ist geprägt von Wäldern (die unter dem Klimawandel leiden), von Landwirtschaft (die mit modernen, digitalgesteuerten Maschinen betrieben wird), von Windrädern (die den Aufbruch in eine Energieversorgung der Zukunft symbolisieren), von Gebäuden (die für die Besiedlung des Landes durch den Menschen stehen). Die Gegend ist zudem geprägt von archäologischen Ausgrabungen: Unweit wurde die bronzezeitliche Himmelsscheibe von Nebra gefunden. Den Ehringsdorfer Urmenschen fand man südlich der Spiegelarche in der Nähe Weimars. Diese Funde stammen aus einer Zeit, die mehr als 200.000 Jahre zurückliegen könnte. An der Fundstelle Bilzingsleben wurden Reste des Homo erectus gefunden, die etwa 400.000 Jahre alt sind. Wir sind also in einer Gegend, in der die lange Geschichte des Menschen nahezu handgreiflich wird: Ist das nicht ein hervorragend geeigneter Ort, um über den Menschen, sein Herkommen und seinen Weg ganz grundsätzlich nachzudenken?

Die XR-Inszenierungen benennen die Zeiten, in denen sie spielen, nicht genau. Denn die in der XR agierenden Wesen (Menschen einer weit zurückliegenden und weit in die Zukunft reichenden Zeit), sind sozusagen nur die Projektionsflächen der über sie erzählten Geschichten. 
Um das verdeutlichen, treten die Figuren in sogenannten Morphsuits (rote Ganzkörperanzüge) auf. Die Figuren in der VR interagieren: sie reden, streiten, haben körperlichen Kontakt etc.

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Im unteren Container konnten die Besucherinnen und Besucher selbst in rote Anzüge schlüpfen, sich in einer menschlich-kommunikativen Situation zeigen (Standbild) und diese Situation durch eine installierte Kamera fotografieren/filmen. Diese Bilder waren an Monitoren in der Empfangshalle des Ausstellungsgeländes zu sehen. Die eigene Perspektive der Besucherinnen und Besucher sollte Handlungsfähigkeit motivieren, um die Gegenwart als gestaltbar wahrnehmen zu können. Die Spiegel des unteren Containers bieten dabei eine Option zum Perspektivwechsel und zur äußeren Betrachtung des Selbst. Zudem wirkt der verspiegelte Container als ästhetische Komponente im produzierten Material: Immer mehr Reflexionen und Sichtweisen, die man ansonsten nur schwer von sich haben kann, zeigen, das wir nach-denkende Wesen sind und diese Fähigkeit nutzen sollten.

Ziele

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Besucherinnen und Besucher sollen die Möglichkeit haben, Erkenntnisse über die

  • Konstruiertheit von Vergangenheit und Zukunft

  • Gegenwart als Berührungspunkt von Vergangenheit und Zukunft

  • Gestaltbarkeit der Zukunft aufgrund ihrer Abhängigkeit von den über sie konstruierten Narrationen

  • Möglichkeit zu einer aktiven und reflektierten Gestaltungsbereitschaft gerade in schwierigen Zeiten

  • Weiterentwicklungsfähigkeit der rezipierten Inhalte zu eigenen Szenen und damit verbundenen Sichtweisen

zu bekommen.

Wenn möglich, soll auch ein Diskurs mit anderen Besucherinnen und Besuchern entstehen, um die sich aus der Narrationsanalyse und -konstruktion ergebende Selbstwirksamkeit zu erfahren und im Bewusstsein zu verankern.

Themen

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Folgende Themen wurden in die XR-Szenen narrativ integriert:

  • das Universum (Schwerpunkt „Astronomie & Raumfahrt“)
  • die Erde (Schwerpunkt „Landwirtschaft & Geosphäre“)
  • die Gegenwart (Schwerpunkt „Klimawandel & Fragilität“)
  • die Zukunft (Schwerpunkt „nachhaltige Zukunftsvisionen“)

Neben die XR-Umgebung wurde zusätzlich informativ-dokumentarischer Content eingebunden, der mit diesen Themen umgeht.

Besucherverhalten

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  • Rezeption der XR-Szenen und weiterer Materialien im oberen Container.
  • Darstellung eigener zwischenmenschlicher Szenen im unteren Container (Nutzung roter Morphsuits)
    Eine mögliche leitende Fragestellungen für diese Darstellungen lautet: Welcher Menschentyp wird benötigt, um die Zukunft (positiv, lebenswert, nachhaltig) zu gestalten.
    Diese Darstellungen werden auf einer DileWe-Plattform gesammelt, Dort kuratiert und können in der Ausstellung von den anderen Besucherinnen und Besuchern angesehen, kommentiert und in einem eigenen Ausstellungsbesuch weiterentwickelt werden. Die Besucherinnen und Besucher erstellten damit eigene, miteinander kommunizierende Exponate.

Was hat das mit jungen Leuten zu tun?

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Ne Menge! Gerade junge Leute brauchen Gelegenheiten, um sich und ihr Leben nachdenken und sich ausprobieren zu können. In ländlichen Gegenden haben sie oft den Eindruck, von den spannenden Entwicklungen, die eben meistens irgendwo in den größeren Städten stattfinden, abgehängt zu sein. Digitalisierung ist da eine Chance. Denn, wenn man zum Beispiel Zugang zum Internet hat, kann man an vielen spannenden Techniken und Debatten teilhaben. 
Das Kosmos-Projekt richtet sich daher vor Ort, auf dem Land, gerade an junge Leute. Es ist ein Denkanstoß und eine konkrete Gelegenheit, sich mit wissenschaftlichen Fragen und aktuellen Debatten zu befassen und den Chancenreichtum der Welt zu erleben.